26. Sep 2015

Juristische Darstellung von Mitwirkung und Verfahrensbeteiligung des Jugendamtes in Kindschaftssachen

Mit keiner der wissenschaftlichen Auslegungsmethoden ist es möglich, das Ergebnis zu erzielen, dass das Jugendamt in allen Familiensachen pauschal zu beteiligen wäre. Die unzulässige Scheinbeteiligung des JA, die aus der gesetzlichen Mitwirkungspflicht entspringen soll, stellt einen essentiellen Grundrechtseingriff in das Persönlichkeitsrecht dar. In ein Grundrecht darf jedoch nur durch Gesetz eingegriffen werden, welches genau bestimmt, in welches Grundrecht eingegriffen werden soll und wie weit der Eingriff reichen soll.

Das Gesetz unterscheidet zwischen Mitwirkung und Beteiligung des Jugendamtes. Dass die Beteiligung der Mitwirkung entspräche, ist damit ausgeschlossen. Einem Verfahrensbeteiligten stehen gesonderte Rechte zu, wie z.B. das Recht Anträge zu stellen, einer Verhandlung beizuwohnen, Rechtsmittel einzulegen oder Akteneinsicht zu nehmen. Einem Mitwirkenden stehen diese Rechte nicht zu.

Das Gericht müsste in jedem Verfahren, in welchem die Mitwirkung des JA vorgesehen ist, zunächst prüfen, ob die Vorraussetzungen für eine gesetzliche Beteiligung des Jugendamts gegeben sind. Erst dann könnte eine Beteiligung erfolgen. Dem Jugendamt wären also auch erst nach einer solchen Prüfung, die zu dem positiven Ergebnis geführt hat, dass die Vorraussetzungen gegeben sind, die Rechte eines Beteiligten zuzusprechen. Die Übersendung von Akteninhalten vor der Feststellung der Beteiligtenfähigkeit des Jugendamtes stellen eine Verletzung von Privatgeheimnissen dar. Im § 162 FamFG, der die Mitwirkung des Jugendamtes umfasst, ist keine Rechtsnorm zu erblicken, die einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht beschreiben oder rechtfertigen könnte.

Gem. § 162 Abs. 1 FamFG hat das Gericht in Verfahren, die die Person das Kindes betreffen, das Jugendamt anzuhören. Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, sind Kindschaftssachen. Gem. § 151 FamFG sind Kindschaftssachen, die dem Familiengericht zugewiesenen Verfahren, die die elterliche Sorge, das Umgangsrecht, die Kindesherausgabe, die Vormundschaft, die Pflegschaft, die Genehmigung der freiheitsentziehenden Unterbringung eines Minderjährigen, die Anordnung einer solchen, oder Aufgaben nach dem Jugendgerichtsgesetz betreffen. In Abstammungssachen, Adoptionssachen, Ehewohnungssachen und Gewaltschutzsachen gelten gesonderte Regelungen über die Anhörung des Jugendamtes.

Die gesetzliche Schweigepflicht der Jugendamtsmitarbeiter bleibt hiervon unberührt. Das Jugendamt hat gem. §§ 17, 18 und 50 SGB VIII lediglich über angebotene und erbrachte Leistungen zu berichten.

Gem. § 162 Abs. 2 FamFG ist das Jugendamt an einem Verfahren zu beteiligen, wenn es nach den § 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuches zu verhandeln ist. Im Übrigen ist das Jugendamt auf seinen Antrag hin zu beteiligen. Gem. § 162 Abs. 3 ist das Jugendamt in den Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, von Terminen zu benachrichtigen und ihm sind alle Entscheidungen des Gerichts bekannt zu machen. Gegen dem Beschluss steht dem Jugendamt die Beschwerde zu. Andere Datenübermittlungen als die hier genannten, sind gesetzlich nicht vorgesehen.

Gem. § 170 GVG sind Verhandlungen, Erörterungen und Anhörungen in Familiensachen nicht öffentlich. Das Gericht kann die Öffentlichkeit zulassen, jedoch nicht gegen den Willen der Beteiligten. Dritte, zu denen das Jugendamt gehört, dürfen nur solange an der Verhandlung teilnehmen, also im Sitzungssaal sein, wie das sie selbst unmittelbar betreffende Verfahren (Verhandlungsteil) verhandelt wird. Dieser Notwendigkeit nach einer Beschränkung der Anwesenheit und Information Dritter trug auch der weggefallene § 624 IV ZPO Rechnung, wonach vorbereitende Schriftsätze usw. Dritten nur insoweit zugänglich gemacht wurden, als diese sie betrafen; dem muss auch die Anwesenheit bei der mündlichen Verhandlung entsprechen. (Vgl. KISSEL Gerichtsverfassungsgesetz zu § 170 GVG C.H. Beck 2005 – nicht öffentliche Verhandlung in Familiensachen, S. 1169 RNr.7) Die Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeit stellt einen absoluten Revisionsgrund dar (Vgl. § 169 GVG.) Beziehe man sich nun darauf, dass § 624 ZPO weggefallen sei, so tritt an diese Stelle gleichwohl das verfassungsrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht, welches im Ergebnis ebenfalls dazu geeignet ist, ein Rechtsschutzbedürfnis im Umgang mit personenbezogenen Daten zu erklären. Es ist insoweit auf den Regelgehalt des § 139 FamFG zu verweisen, nach welchem Schriftsätze, Ausfertigungen oder Abschriften selbst weiteren Beteiligten, nur insoweit mitzuteilen oder zuzustellen sind, als der Inhalt des Schriftstücks sie betrifft. Das selbe gilt für die Zustellung von Entscheidungen an dritte Personen, die zur Einlegung von Rechtsmitteln berechtigt sind.



Bad Blankenburg, Anne Müller
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